Freak City by Kathrin Schrocke

Autor:Kathrin Schrocke [Schrocke, Kathrin]
Die sprache: deu
Format: epub
ISBN: 9783733602185
Herausgeber: FISCHER E-Books
veröffentlicht: 2015-02-24T16:00:00+00:00

Zwölf

Als ich meine Zimmertür aufschob, traf mich erst mal der Schlag. Quer über meinem Bett lag Calimero, um sich herum hatte er sämtliche Ausgaben von National Geographic gestapelt und blätterte darin. Die Hefte gehörten meinem Vater, und mir lieh er sie nur äußerst ungern aus. Auf dem Teppich hockte Iris, kämmte ihre Barbie und hörte zum achthundertsten Mal »Benjamin Blümchen rettet die Biber« an. Den Text von Karla Kolumna konnte ich auswendig.

»Abmarsch!«, sagte ich in Richtung meiner Schwester. Beleidigt sah sie auf.

»Abmarsch!«, wiederholte ich. Ich ging zur Anlage, nahm Benjamin Blümchen raus und drückte ihr die CD unsanft in die Hand.

Gelangweilt sah Calimero von den Heften hoch. Er schien es überhaupt nicht seltsam zu finden, nach einem Nachmittag mit meinem Vater auch noch mein restliches Leben zu übernehmen. Er lag da auf meinem Bett, als wäre das sein Zimmer. Als wäre das seine kleine Schwester und als wären das die Hefte seines Dads.

»Calimero ist viel lieber als du!«, sagte Iris, als sie sich heulend an mir vorbeizwängte.

»Stimmt«, murmelte ich und warf die Tür hinter ihr zu.

»Warum bist du so mies drauf, Alter?« Calimero gähnte. »Ich steh auf Benjamin Blümchen. Außerdem ist deine Familie nett. Du musst nicht immer den fiesen Typen raushängen lassen. Dein Vater hat gesagt, du hast dich in letzter Zeit echt verändert.«

»Muss am verunreinigten Trinkwasser liegen«, sagte ich. »Oder hat es vielleicht damit zu tun, dass ich 15 und keine sechs mehr bin? Für Eltern ist das immer schwer zu verkraften!«

Calimero warf das Magazin zur Seite.

»Hören wir auf zu streiten«, sagte er versöhnlich. »Ich will Fakten hören. Sex and Crime. Ach, das Crime kannst du meinetwegen auch weglassen.«

»Was für Fakten?« Ich hockte mich neben Calimero. Mit der Fernbedienung schaltete ich das Radio ein.

Bevor ich mit Sandra zusammengekommen war, hatten wir das ständig gemacht. Calimero und ich, nebeneinander auf meinem Bett. Wir hatten Musik gehört und Ewigkeiten gequatscht, über ganz schön intime Dinge …

Erst in den letzten Wochen war das weniger geworden. Ich hatte aufgehört, ihn einzuweihen. Vielleicht, weil er vieles einfach nicht mehr nachempfinden konnte. Weil ich merkte, dass unser Leben in unterschiedlichen Bahnen verlief.

»Wo warst du? Außer Basti und mir hast du keine Freunde, also fällt das schon mal weg. Das heißt, du hast den Nachmittag mit einem Mädchen verbracht. Wer war es? Bist du wieder mit Sandra zusammen? Oder warst du bei der heißen Billard-Braut?«

Ich schaltete das Radio lauter. »Video killed the Radio Star!« Ich liebte den Song. MTV war damit zum ersten Mal auf Sendung gegangen. Es tat mir irgendwie leid, dass Lea den Hit nie würde hören können.

»Ich war mit Lea im Freibad«, sagte ich möglichst neutral. »Sandra hat sich immer noch nicht entschieden. Sie braucht noch Zeit. Aber ich glaube, meine Chancen stehen nicht schlecht.«

Calimero boxte mir gegen die Schulter. »Los, lass mich deine Knutschflecken sehen!«

Ich stieß ihn weg. »Es gibt nichts zu sehen«, sagte ich. »So weit sind wir noch nicht. Außerdem steht das auch gar nicht zur Debatte. Wir beide sind gute Kumpel, mehr nicht.«

»So weit?« Calimero lachte. »Mann, du bist fast volljährig.

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